Entretien
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Langue :
Allemand
Crédits
Université Toulouse II-Le Mirail SCPAM (Publication), Université Toulouse II-Le Mirail (Production), Nathalie MICHAUD (Réalisation), Roberto Di Bella (Intervention), Bastian Böttcher (Intervention)
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Tous droits réservés à l'Université Toulouse II-Le Mirail et aux auteurs
DOI : 10.60527/sjmy-5h75
Citer cette ressource :
Roberto Di Bella, Bastian Böttcher . UT2J. (2011, 21 janvier). « Nach dem Loop : Leben » : Interview mit dem Lyriker und Slammer Bas Böttcher / Roberto Di Bella , in Allemand. [Vidéo]. Canal-U. https://doi.org/10.60527/sjmy-5h75. (Consultée le 29 mai 2024)

« Nach dem Loop : Leben » : Interview mit dem Lyriker und Slammer Bas Böttcher / Roberto Di Bella

Réalisation : 21 janvier 2011 - Mise en ligne : 26 décembre 2011
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Descriptif

Chanteur, rappeur, slameur, poète, Bastian Böttcher a commencé sa carrière en introduisant le rap et ses éléments poétiques dans la scène allemande du hip hop. Des études à l’université du Bauhaus à Weimar l’ont initié à toutes les technologies des médias et de la mise en espace. Ce « poète de la scène » né en 1974 à Brême fut d’ailleurs l’heureux vainqueur de la toute première compétition de slam germanophone qui eut lieu en 1997. Depuis 2001, Bastian « Bas » Böttcher sillonne le monde en tant que poète et récitant. Il est monté sur scène avec les grands de son genre en France, tel que Fabien Marsaud (alias Grand Corps Malade) et avec son projet novateur « Textbox » (developpé avec Timo Brunke). Il a été, entre autre, invité au Centre Pompidou ainsi qu’aux salons du livre d’Abu Dhabi, de Francfort, Pékin, Sao Paulo ou Vienne. Son dernier album, Neonomade, est sorti en 2009. En écoutant ses poèmes, on découvre une nouvelle conception de l’écriture poétique, d’une poésie écrite pour être écoutée. Elle est un événement acoustique qui restitue à la voix une place essentielle. Ces recueils de poésies et autres publications sont par conséquent souvent accompagnés par des CD ou DVD. Ses textes traitent de manière lyrique, dynamique et humoristique du fait de vivre dans un monde dominé par la consommation et la technique.

> La visite de l’artiste à Toulouse a eu lieu dans le cadre de la Semaine franco-allemande 2011 (du 17 au 22 janvier 2011).

Intervention
Thème
Documentation

« Nach dem Loop : Leben » Transcription de l’entretien avec Bas Böttcher

Schatzkarte

[…]

Und noch immer hab ich keinen Plan – von Wegen

Von Wegen, die sich gleichen

Von Wegen, die im Kreis führen

Von wegen manche vertraut, manche verbaut

Und aus dem Publikum meinte neulich einer zu mir:

Es gehört gar nicht so viel dazu

Man bekommt es irgendwie immer hin

Wenn man nur will, dann wartet ein Weg auf jeden

Und auch mit einem harten Los geht’s

Und es stimmt:

Es gehört eigentlich gar nicht so viel dazu. – Soviel dazu!

Man bekommt es irgendwie immer hin. – Immerhin!

Wenn man nur will, dann wartet ein Weg auf jeden – auf jeden!

Und auch mit einem harten Los geht’s – los geht’s!

Roberto Di Bella : Hallo Bas Böttcher. Herzlich willkommen in Toulouse und schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben für dieses Interview und ein paar Fragen zu Ihrer Arbeit, zu Ihren Texten.

Bas Böttcher: Gerne.

RDB: Das ist kein Konzert, was wir gerade gehört haben. Und so lautet auch der Titel Ihres ersten Gedichtbandes von 2006: „Dies ist kein Konzert“. Trotzdem sagen Sie: „Gelungene Poetry-Slams sind wie Konzerte, bloß ohne Musik“. Sie arbeiten aber trotzdem mit Musik und Liedern. Beschreiben Sie uns doch mal kurz das Konzept Ihrer Lesung.

BB: Grundsätzlich habe ich verschiedene Konzepte, je nach Auftrittsort. Wenn ich im Ausland auftrete, wo Deutsch nicht die Landessprache ist, dann arbeite ich viel mit Musik und auch mit Untertiteln, um die Sprachbarriere zu überwinden. Deshalb haben wir hier in Toulouse einige Stücke mit Musik gehört, die ich im deutschsprachigen Raum ohne Musik machen würde, weil ich glaube, dass die Musik das internationale Element ist, das alle Menschen über die Sprachgrenzen hinweg verbindet. Dann ist der Buchtitel „Dies ist kein Konzert“ so gemeint, dass das Konzert trotzdem irgendwie mitschwingt. Meistens ist es so, dass die Nennung eines Wortes den Sinn des Satzes schlägt. Deshalb habe ich den Titel „Dies ist kein Konzert“ gewählt. Die Leute merken aber, dass es trotzdem irgendwie Musik ist. Es gibt die Sprachmelodie, die Wortrhythmik, den Klang der Silben. Da denke ich, ist die Grenze zur Musik fließend.

RDB: Wir sehen bei Ihren Auftritten, dass Sie ganz verschiedene Medien kombinieren: die Untertitel mit den Übersetzungen der Texte, die Sie vortragen, aber auch die Musik und die Bilder. Sie haben übrigens ein Diplom als Mediengestalter, der Bauhaus-Universität in Weimar, einer sehr renommierten Institution also. Warum ist Ihnen diese intermediale Ebene Ihrer Auftritte so wichtig?

BB: Grundsätzlich kann man feststellen, dass das wichtigste Medium, bei aller Elektronik und bei aller Vernetzung, immer noch die Sprache selbst ist. Ich habe festgestellt, dass das Schreiben von Lyrik selber eine Form von Mediengestaltung ist, denn ich gebe ja der Sprache einen Rhythmus, einen Klang und eine lyrische Struktur. Insofern bin ich eigentlich als Poet genau in meinem Mediengestalter-Metier geblieben. Was jetzt dazu kommt, ist die mediale Form, der Rahmen, den man so einem Text gibt. Der Rahmen kann die Bühne sein, der Rahmen kann ein Poetry-Clip sein, der Rahmen kann eine CD sein oder ein Buch. Und das muss doch irgendwie gestaltet werden. Ich finde, man kann die mediale Form und die lyrische Form, also die Zeilenstruktur und Rhythmik, eigentlich garnicht voneinander trennen. Für mich ist das Medium Teil dieser lyrischen Form.

Babylon 2.8.

Berlin, Paris, London, Ballermann, Balaton

Wir leben in Babylon 2.8.

Reden wie im Mythos. - Verdreifacht

geregeltes Mediengerede

und speisen’s in Festplatten, Köpfe und Geräte

Wie in Babel in der Bibel lieben People die Piepen

Und die, die dienen, verdienen viel weniger, als sie verdienten

Google mal Babylon! Babel mal Googylon

Bubblegum Goodie Booty Party on, Babylon!

[…]

RDB: Ein Mittel, um den Text zum Publikum bzw. umgekehrt das Publikum zum Text zu bringen, ist ein Konzept, das Sie entwickelt haben: die sogenannte Textbox. Können Sie uns das Prinzip kurz erläutern?

BB: Ich habe die Textbox aus der Not heraus erfunden. Oft ist es so, dass man als Poet gebeten wird, auf der Buchmesse oder in Kunstmuseen aufzutreten oder in irgendwelchen Räumen, wo viel Geräuschkulisse da ist. Es geht dann darum, sich möglichst gute Auftrittsbedingungen zu schaffen, weil ein Gedicht, das im allgemeinen Geräuschpegel untergeht, nicht viel wert ist. So habe ich die Textbox entwickelt. Das ist eine schallisolierte Box aus Plexiglas. Und wer dahinter am Mikrofon steht, kann nur per Kopfhörer gehört werden. Man muss das Ganze einmal erlebt haben, denn wenn man solch einen Kopfhörer aufhat, ist plötzlich die Stimme der Poetin oder des Poeten ganz nah. Die Poetinnen und Poeten können so ihrem Publikum direkt ins Ohr flüstern. Das gibt eine sehr schöne Direktheit, die man sonst auf Buchmessen oder in Flughäfen und Bahnhöfen mit Poesie selten herstellen kann.

Nach dem Loop: Leben

Leute laufen im Loop, ihr Blut läuft im Loop

Sie tanzen zu Loops, sind im Loop gefangen!

Wenn-er-sich-nicht-meldet-meld-ich-mich-nicht-Loop

Wenn-sie-sich-nicht-meldet-meld-ich-mich-nicht-Loop

Ich-brauch-den-Kick-also-besorg-ich's-mir-Loop

Vom-ersten-Programm-bis-zum-letzten-zapp-Loop

Im täglichen Welt-um-sich-selber-dreh-Loop

Im jährlichen Welt-um-die-Sonne-lauf-Loop

Uhren laufen im Loop, Zahnräder laufen im Loop

Leute laufen nach Uhren, sind im Loop gefangen!

Im Kaffee-am-Morgen-am-Abend-Bier-Loop

Ich-krieg-keinen-Job-also-mach-ich-nichts-Loop

Im Kampf-gegen-Terror-und-Gegenschlag-Loop

Im Haltbarkeitsdatum-Ablauf-Neukauf-Loop

Im täglichen Welt-um-sich-selber-dreh-Loop

Im jährlichen Welt-um-die-Sonne-lauf-Loop

Loops laufen im Loop, die ,Os‘ im Wort Loop

Sind selber zwei Loops, und die wiederum haben wieder zwei ,Os‘

Macht also insgesamt 4, 8, 16, 32, 64, 128 und mehr Loops!

Den Geld-verdienen-und-ausgeben-Loop

Wie-Hamster-im-quietschenden-Laufrad-lauf-Loop

Den Wir-sind-schon-so-lang-zusammen-also-bleiben-wir-auch-zusammen-Loop

Den Bitte-haben-Sie-noch-einen-Moment-Geduld-

der-nächste-freie-Mitarbeiter-ist-gleich-für-Sie-da-Loop

Den Wie-du-mir-so-ich-dir-so-du-mir-so-ich-dir-so-du-mir-

so-ich-dir-so-du-mir-so-du-mir-so-ich-dir-so-ich-dir-Loop

Im täglichen Welt-um-sich-selber-dreh-Loop

Im jährlichen Welt-um-die-Sonne-lauf-Loop

Dieser Text läuft im Loop, dieser Text läuft im Loop

Dieser Text läuft im Loop, dieser Text läuft im Loop

Bis zum Break, bis zum Cut, bis zum Schluss, bis zum Bruch

Bis zum Aufbruch

RDB: Kommen wir nochmal zurück zum Stichwort „Slam“. Die Slam-Bewegung ist, seit ihren Anfängen Mitte der 1980er Jahre u.a. in Chicago, eine weltweite Bewegung geworden, eine Bewegung vielleicht auch mit einem globalen Stil. Sie selbst sind auf der ganzen Welt unterwegs. Gibt es Unterschiede zwischen den Szenen, z.B. zwischen Deutschland und Frankreich? Welche Merkmale könnten Sie nennen?

BB: Das Schöne an der Poetry-Slam-Szene ist, dass sie dezentral organisiert ist und dass es eigentlich eine ganz klassische Graswurzel-Bewegung ist. Sie wurde also nicht von irgendwelchen Konzernen oder großen Medienhäusern lanciert, sondern ist aus der community heraus entstanden. Da gibt es natürlich viele Begegnungen: Man trifft die Slam-Kollegen in Theatern, in Caféhäusern oder wo die Autritte gerade sind. So lernt man natürlich auch Künstler aus anderen Ländern kennen und stellt dabei bestimmte Eigenheiten fest, die sich regional herauskristallisieren. In Frankreich ist Poetry-Slam, wahrscheinlich auch durch viele bekannte Slam-Poeten wie Grand Corps Malade und Abd al-Malik, stark mit der Musik verbunden. Wenn die Leute in Frankreich das Wort slam hören, sprechen sie immer von Konzert, obwohl die Leute in Deutschland eher eine Art Lesung erwarten. Das wäre vielleicht ein Unterschied. Man kann aber sagen, dass die aktiven Leute in der Slam-Szene in Frankreich fast genau so wenig mit Musik arbeiten wie in Deutschland. Nur wird es halt von der Öffentlichkeit hier eher dem Musikbereich zugeordnet. Auch die Rap-Szene ist in Frankreich stärker mit der Slam-Szene verbunden. Es gibt da z.B. D’ de Kabal, mit dem ich schon Auftritte im Centre Pompidou hatte. Da hat in Deutschland eher eine Underground-Literaturszene gewirkt. Und diese Unterschiede machen das Ganze ja auch interessant. Es wäre schade, wenn überall die gleichen Stile gepflegt würden und die gleichen Eigenheiten zu erleben wären.

RDB: Sie haben bereits Anfang der 1990er Jahre Ihre ersten Bühnenerfahrungen gesammelt. Können Sie sich noch an diese ersten Schritte erinnern?

BB: Ja, klar! Das war ein Reiseleben. Bis heute bin ich ja 50 Prozent meiner Zeit auf Tour: in Hotelzimmern, auf Bahnhöfen und Flughäfen oder irgendwelchen Schiffen. Damals war es aber so, dass wir keine Möglichkeiten hatten, offiziell die Fahrkosten erstattet zu bekommen. Ich hatte also einen gefälschten Ausweis, mit dem ich quasi Zug fahren konnte. Damit bin ich immer zu den Auftritten gefahren, denn Geld gab es nur für Essen und Fahrtkosten. Es gab also kein richtiges Honorar. Man hat jedes Festival mitgenommen, jede kleine Möglichkeit, wo ein Mikrophon stand, um Reaktionen zu sammeln. Man kann das vergleichen mit den Lehr- und Wanderjahren. Man ist unterwegs, bekommt Reaktionen auf die Texte und kann davon profitieren, daraus lernen, sich weiter verbessern. Ich glaube, das war eine ganz wichtige Zeit für die Entwicklung meiner eigenen Stile.

Computec

Das Netz lockt. Ich log mich ein.

Ich klick’ den kleinen Startbutton. Ich bin im Nu im Menü drin.

Ich lad’ den Netscape-Navigator.

Der Cyberspac-Invader hat die Welt

In seinen Händen wie Darth Vader.

Auf diese Weise reise ich schon lange durch das World Wide Web

Und ich gelange mit Links in fremde Länder,

Denn ich zapp mich die Links entlang.

So gelingt mir der Zugang zu Gedankengängen anderer.

Ich, der rastlose Wanderer chat’ im net, check’ die Netiquette,

Hack was aus, browse weiter in die Usenet newsgroups,

Cruis’ durch F.A.Qs von Jesus, Jusos und Usergroups.

[…]

RDB: Sie sprechen das Reisen an und die Bewegung mit den Texten. Neonomade ist der Titel Ihres zweiten Gedichtbandes von 2009. Ist das Reisen für Sie zur Lebensbedingung geworden? Oder ist das eine Bedingung unserer heutigen Zeit, dass Sprache im globalen Raum unterwegs ist?

BB: Wir leben in Zeiten, in denen alles kopierbar geworden ist: Musik ist ebenso kopierbar geworden wie Bilder und Bücher. Das einzige, was nicht kopierbar ist, ist der Mensch selbst. Wir Menschen können uns nicht kopieren, wir müssen tatsächlich anreisen. Und das ist etwas Schönes, dass man wie beim Poetry Slam keine Konserve präsentiert bekommt, sondern die Person direkt und live erleben kann, die den Text geschrieben hat und ihn auf der Bühne verkörpert. Ich glaube, dass gerade in Zeiten, wo alles andere so medial vermittelt wird, ist der Wunsch da, es wieder mit echten Menschen zu tun zu haben. Und beim Poetry-Slam hat man es wirklich mit echten Menschen zu tun. Auch die Szene kann nur davon leben, dass man sich immer wieder persönlich begegnet.

RDB: Diese Begegnung mit den Menschen ist ja Teil des Konzepts. Die Texte werden gesprochen und selbst legen großen Wert darauf, dass in Ihren Büchern entweder eine CD oder auch eine DVD mit enthalten ist, um das zu dokumentieren. Diese orale, diese mündliche Tradition der Literatur war ja bis ins 18. Jahrhundert hinein die eigentlich maßgebliche: Texte wurden nicht still gelesen, sondern im sozialen Raum vorgetragen. Das ist etwas, woran der Slam wieder anknüpft und das auch Ihnen sehr wichtig zu sein scheint.

BB: Genau. Es gibt eine ganz klare Rückentwicklung von der stummen Rezeptionsweise von Poesie wieder hin zu einer klanglichen, rhythmischen, ’lauten’, direkten Rezeptionsweise gibt. Man merkt, dass das etwas ist, das mit Atmung zu tun hat, das einen Körper und eine Stimme hat. So habe ich Poesie auch immer verstanden. Mein Zugang war ohnehin immer ein akustischer. Ich habe früher viele Hörspiele gehört und habe die Flohmärkte nach Platten abgesucht, die man wieder sampeln konnte, für unsere Band, wie wir damals hatten. Ich habe Texte also nie nur gelesen, sondern wollte immer wissen: Wie klingt das eigentlich?

RDB: Was war das für eine Band?

BB: Das ist lange her. Die Band hieß Zentrifugal und wir haben zusammen zwei Alben herausgebracht. Ich glaube, was gut ist, dass wenn man als Texter oder Dichter einmal eine Zeitlang mit DJs zusammenarbeitet, bekommt man automatisch eine rhythmische Schulung. Die verliert man dann auch nicht mehr. Selbst wenn ich heute Texte schreibe, klopfe ich den Rhythmus mit meinen Fingern ab, um festzustellen, ob er stimmig ist.

Gedicht-Ausschnitt

RDB: „Die erste Idee zu einem Text bekommt man immer geschenkt. Den Text selbst muss man sich dann erarbeiten“. So zitieren Sie den Slam-Poeten Dalibor Markovic. Wie erarbeiten Sie sich Ihre Texte? Wie entsteht ein echter Bas-Böttcher-Text, von der Idee bis zum Auftritt?

BB: Die Texte werde vorallem erstmal als Idee gesammelt und irgendwann entsteht um die Idee herum so ein kleines Universum von Einfällen und Assoziationen. Ich lasse das aber nicht im Rohzustand, sondern versuche dem Ganzen eine Form zu geben, weil wir auf der Bühne natürlich eine klare Sprache sprechen müssen. Man darf sich nicht in irgendwelchen nebulösen Formulierungen verlieren, sondern man muss ganz klare Ansagen machen. Kurze Sätze. Klare Worte verwenden. Das ist manchmal viel schwieriger als diffuse Ideen in den Raum zu stellen. Aber das kann man immer nur am eigenen Beispiel zeigen, z.B. mit einem Text wie Schatzkarte:

Es gehört eigentlich gar nicht so viel dazu. – Soviel dazu!

Man bekommt es irgendwie immer hin. – Immerhin!

Wenn man nur will, dann wartet ein Weg auf jeden – auf jeden!

Und auch mit einem harten Los geht’s – los geht’s!

Dieses Prinzip, dass man die beiden letzten Wörter wiederholt und ein neuer Sinn entsteht, ist eines, das schon lange vorher im Kopf da ist. Da geht es nur darum, dem Prinzip zu folgen, es auszubauen, den Sinn so herzustellen, dass er schlüssig ist im Verhältnis zum Kontext. Das ist natürlich echte Arbeit, wie Dalibor Markovic sagt. Die erste Idee bekommt man immer geschenkt und den Rest muss man sich hart erkämpfen.

RDB: Gibt es auch Texte, die es nicht auf die Bühne geschafft haben?

BB: Ja, es gibt jede Menge Texte, die nicht bis zur Bühne gekommen sind. Ein großer und hoch geschätzter, leider verstorbener Kollege, Thomas Kling, sagte einmal zu mir: „Man darf nie vergessen, dass man einen Mülleimer hat“. Und er hat Recht. Der Mülleimer ist eigentlich mit das wichtigste Werkzeug der Poeten, denn nur durch die Sachen, die man wegstreicht, bleibt am Ende das, was man für die Bühne und das Publikum für würdig erachtet. Daran habe ich mich eigentlich immer gehalten.

RDB: Slap und Rap sind historisch stark an den urbanen Raum gebunden, an Großstadtthemen und Themen über die moderne Welt. Könnten Sie auch über einen blühenden Kirschbaum performen?

BB: Ich glaube, der Poetry-Slam lebt auch ganz stark davon, dass man das Publikum überrascht. Und wenn alle Leute irgendwelche Großstadttexte erwarten, wäre es tatsächlich eine Überraschung, über blühende Kirschbäume auf dem Lande zu schreiben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jedes Thema ein geeignetes Thema wäre, wenn man nur die richtige Perspektive darauf findet. Beim Stück „Blumenblüten“ merkt man schon: man kann über Blumenblüten schreiben als Slam-Poet. Aber man muss seine ganz spezielle Perspektive finden, die so vorher vielleicht noch keiner gesehen hat.

Blumenblüten

[…]

Blumenblüten, man hat euch verarscht
Blumenblüten, man hat euch verraten und verkauft!

Euer Duft hängt in Form von Wunderbäumen an Rückspiegeln
Man packt euch mit Grünzeug in Zellophan ein
Man verarbeitet euch zu Trockenblumen und Potpourri
Man hat falsche Scheine nach eurem Namen benannt

Blumenblüten, man hat euch verarscht
Blumenblüten, man hat euch verraten und verkauft!

RDB: Lyrik hat es im heutigen ‚allgemeinen’ Bewusstsein, schwer als populäres Medium zu bestehen. Und wenn sie populär ist, wie vielleicht bei Songtexten und anderen ‚Gebrauchsformen’, wird sie oft vom literarischen Betrieb nicht ernst genommen. Wie sehen Sie da Ihre eigene Rolle zwischen U- und E-Horizonten?

BB: Dieser Gedanke, zwischen E für ernste, also klassische, und U, für unterhaltende, populäre Musik zu unterscheiden, ist eigentlich überhaupt nur noch für die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte; société pour les droits sur la représentation musicale et la reproduction mécanique – Anm. RDB) und die Abrechnung interessant. Die echte Welt und einen selbst als Autor sollte einen das wirklich nicht interessieren. Auch das, was man so gerne Literaturbetrieb nennt, ist voll von Unterhaltungstexten. Selbst das, was vermeintlich als hochwertig daherkommt, ist oft nur Saisonware. Das geht mit dem Herbstprogramm der Verlage raus und ist mit dem Frühjahrsprogramm schon wieder passé. Deswegen braucht sich die Slam-Poetry da eigentlich keine Sorgen zu machen. Was schön ist, dass eine wirklich unabhängige Struktur für literatische Texte gewachsen ist und dass man eben nicht von Promotern abhängig ist und dass man nicht von Verlagshäusern abhängig ist und dass man nicht von irgendwelchen Medienmaschinerien abhängig ist, die große Kampagnen fahren, sondern dass wir unsere eigenen Netzwerke haben und richtig wahrgenommen werden. Zu den deutschsprachigen Meisterschaften kommen mittlerweile fünfstellige Zuschauerzahlen, ein richtiges Großereignis. Das ist im Grunde das richtig Wertvolle an der Slamszene. Dass dazwischen auch richtige Trash-Texte gehört und auf die Bühne gebracht werden, steht natürlich außer Frage, das hat man überall.

Ich glaube, dass die Poetry-Slam-Szene genau das richtig macht, was in der Hip-Hop-Szene vielleicht falsch gelaufen ist: dass sich nämlich die Akteure auch darum kümmern, dass neue Talente nachkommen können und zwar unabhängig von kommerziellen Interessen. In der Poetry-Slam-Szene hat man sich von Anfang an darum gekümmert, neue Stimmen und Talente zu entdecken und auch zu fördern. Und man merkt jetzt, dass die U20-Poetry-Slams, also Wettbewerbe, wie man sie vom Sport für die unter 20jährigen kennt, teilweise die Ü20-Poetry-Slams übertreffen. Genau das ist die schöne Entwicklung: man kann ganz, ganz gespannt sein, was da noch für neue Stimmen zu hören sein werden.

RDB: Was sind die nächsten Etappen der „Bas-Böttcher-Expedition“? Gibt es wichtige Projekte, über die Sie etwas sagen könnten?

BB: Es gibt ein Phänomen, das im deutschsprachigen Raum sehr beliebt ist, wo verstorbene Dichter gegen lebende Dichter antreten. Die verstorbenen Dichter werden von Schauspielern großer Theater verkörpert und die lebenden Dichter verkörpern sich selber. Solche sogenannten „Poetry Dead or Alive - Slams“, die finden z.B. in Berlin im Deutschen Theater oder der Volksbühne statt, im Hamburger Schauspielhaus, demnächst auch im Burgtheater in Wien. Das versuche ich gerade zu dokumentieren, weil ich es interessant finde zu sehen, wie die Anmaßung von lebenden Dichtern funktioniert, die noch keinen Ruf und keinen Namen haben, und auch überhaupt noch nicht anerkannt sind, sich mit den berühmten Autoren der Vergangenzeit zu messen. Wo sind die großen Abgründe, die sich da auftun? Das möchte ich einmal in DVD-Form festhalten. Das ist ein Projekt, das schon angelaufen ist. Dann gibt es natürlich die Idee, den nächsten Gedichtband nachzuliefern. Das ist keine Entwicklung, die ich machen will, sondern ich bin eigentlich froh, wenn ich meinen Standpunkt festigen kann. Neue Stücke schreiben: darum muss es gehen. Immer produktiv bleiben. Dann bin ich schon vollkommen zufrieden.

Alle Gedichtzitate © Bas Böttcher (siehe Bibliographie)

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Œuvres originales

- Neonomade. Bas Böttcher. Dresden : Voland & Quist, mars 2009, 29 p. (+ CD audio).

- Die Poetry-Slam-Expedition, Bas Böttcher : Texte, Tracks und Clips. Materialien und Arbeitsanregungen. Braunschweig (Allemagne) : Schroedel Verlag, 2009, 64 p. Coll. Texte Medien. [avec CD audio et DVD vidéo].

- Dies ist kein Konzert. Bas Böttcher. Dresden : Voland & Quist, 2007, 27 p. (+ CD audio).

- Megaherz. Bas Böttcher. Hamburg : Rotbuch Verlag, janvier 2004, 157 p.

Discographie (avec le groupe Zentrifugal)

- Tat Oder Wahrheit. Jive-Records, 1999.

- Diesige Tage. Jive-Records, 1999.

- Poesiealbum. OP23/Indigo, 1996.

Études et interviews

- Zur Metapher bei Bas Böttcher. Billy Badger. 12 juillet 2010, 8 p. [En ligne sur le site e-prints de University of Tasmania].

- "Der Anspruch auf Anspruch und der Anspruch auf Spaß": Postmoderne Züge in Bas Böttchers literarischem Programm. Billy Badger. Neophilologus n°2, vol. 94, avril 2010, pp. 317-332. (voir la bibliographie en fin d'article) [En ligne sur slam-poetry.com].

- Gutes Wetter für Rap Poetry: Bastian Böttchers, "Drei-Jahreszeiten-Trilogie". Billy Badger. In Gert Reifarth (ed.), Das Innerste von Außen: Zur deutschsprachigen Lyrik des 21. Jahrhunderts, Würzburg: Königshausen & Neumann, pp. 231-253.

- Nicht fragen !-Anhören !. Geführt mit Bas Böttcher. Rolf S. Wolkenstein, Ann Kathrin Weldy. Berlin : Berlin, 6 juli 2007. [En ligne sur Arte.tv].

- Poétique de Bas Boettcher, Lieux Communs et Place Publique. Adrienne Ferré. Mémoire de littérature sous la direction de Daniel Riou, université de Rennes 2 Haute Bretagne, UFR d’Arts, Lettres et Communication, Département de Lettres / Université Friedrich Alexander d’Erlangen-Nuernberg, Départements de Sciences de l’Éducation, d’Études Germaniques et d’Études Romaines, [2007] 108 p. [en ligne sur slam-poetry.com].

- Slam-Poetry als literarisches Genre Versuch einer einheitlichen Klassifizierung der beim Poetry Slam vorgetragenen Texte. Charlotte Rieber. Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra Artium Eingereicht bei Dr. Hermann Kinder und Prof. Dr. Manfred Weinberg. Universität Konstanz, Literaturwissenschaft, 2006, 74 p.

- Der Blick aufs Alltägliche, aber aus einer anderen Perspektive. Interview mit Maike Lipczinsky. In Andrea Bartl (ed.), Germanistik und Gegenwartsliteratur. Vol. 1 : Verbalträume : Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Interviews mit Friederike Mayröcker, Kerstin Hensel, Martin Walser, Bastian Böttcher und Tom Schulz. Augsbourg : Wißner, 2005, pp. 285-303.

Matériel didactique

- Poetry Slam. Live-Poeten in Dichterschlachten. Ein Arbeitsbuch. Petra Anders. Persen im Aap : Lehrerfachverlag, 2011, 79 p. [+ CD-Rom].

- Poetry Slam: Unterricht, Workshops, Texte und Medien. Petra Anders. Hohengehren : Schneider-Verlag, 2011, 186 p.

- Die Poetry-Slam-Expedition : Materialien für Deutsch als Fremdsprache. Almut Hille, Matthias Schönleber. Braunschweig : Schroedel-Verlag, 2010, 64 p.

- Die Poetry-Slam-Expedition: Informationen für Lehrerinnen und Lehrer. Almut Hille. Braunschweig : Schroedel-Verlag, 2010, 48 p.

- Slam Poetry. Texte und Materialien für den Unterricht. Reclam (éd.). Stuttgart : Reclam-Verlag, 2008, 103 p.

- Poesie auf Zeit. Die DVD zum German International Poetry Slam. Charlotte Rieber et al. (éd.). Berlin: Sprechstation-Verlag, 2004 [documentaire et archives].

Le website de Bas Böttcher
Looppool sur BleuOrange (en français)

Le clip d'hyperpoésie "Looppool" (en français) sur le site BleuOrangede

Le site Looppool (en allemand)

revue de littérature hypermédiatique (cliquez sur l'image).

projet Textbox

Site web dédié au clip poétique "Looppool".

Bas Böttcher sur Literaturport

Le site du projet "Textbox" développé en collaboration avec Timo Brunke (projet exposé à la Neue Nationalgalerie de Berlin

Entretien avec Bas Böttcher (en anglais)

au Centre Pompidou à Paris

Bas Böttcher sur Lyrikline

à la Casa Encendida de Madrid

Bas Böttcher et Zentrifugal

à la foire du livres de Pékin

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